Adler und Madeleines

Kunst aus Serbien und dem Kosovo in Karben

 

KULTUR Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.10.2007, Nr. 250, S. 58

 

"Und mit einem Mal war die Erinnerung da." An Tante Leonie und ihren Lindenblütentee, an den Geschmack der Madeleines und die Sonntage in Combray. Auch Ana Adamovic hat offensichtlich ihren Proust gelesen. Nur liegt ihr Combray an der Adria, zeigen die farbstichigen Super-8-Aufnahmen Sommer, Sonne und Strandvergnügen aus den noch unbeschwerten siebziger Jahren, und das Gebäck, dessen Duft Adamovics Arbeit zu beseelen scheint und dessen Name die ganze Ausstellung zusammenhält, sind die im ehemaligen Jugoslawien jedem Kind bekannten "Plazma"-Kekse. Und doch, so scheint es angesichts der Schau bei Leonhardi Kulturprojekte in Karben, sind nicht wenige der zwölf jungen Künstler aus Serbien und dem Kosovo mit ihren Arbeiten auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Das gilt für Adamovics "Madelen" ebenso wie für das Video "Grandmother" des 1985 geborenen Kader Muzaqi. Vor allem aber zeigt die mit Unterstützung der Hessischen Kulturstiftung eingerichtete Ausstellung, dass Träume und Ängste ebenso wie die Wahrnehmung der Gegenwart hier wie dort so verschieden nicht sind.

 

Zwar ahnt man angesichts von Luzlim Zeqiris "33X" oder Alban Mujas "Prime Minister" durchaus, aus welchem Teil des im Krieg untergegangenen Jugoslawiens die Künstler jeweils stammen. Viele der vorgestellten Positionen sind ohne ihren Entstehungskontext nicht zu denken. Doch damit hat es sich. Fotoarbeiten wie Milica Ruzicics "Ecstasy Pills" mit dem Hakenkreuz, dem albanischen Doppeladler oder dem nationalistischen serbischen Kreuz als Logo auf der modernen Partydroge können sich trotz der eindeutigen Bezüge auch jenseits des Kontexts behaupten. Für die Arbeiten Jakup Ferris, eines der bekanntesten jungen Zeichner des Kosovo, gilt das ohnehin. Seine Videoarbeiten, die ziemlich komisch Identität und Selbstverständnis eines jungen Künstlers in performanceartigen Szenen zu fassen versuchen, könnten genauso gut in Frankfurt entstanden sein. Mit Tomislav Stanko Vukic ist es nicht zuletzt ein am Main heimisch gewordener Künstler, dessen Installation neugierig macht auf weitere Arbeiten des 1976 in Novi Sad geborenen Städelschülers.

 

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Die Ausstellung "Plazma" bei Leonhardi Kulturprojekte, Burggräfenröderstraße 2, Karben, ist heute und morgen von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

 

 

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